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Ein Schuß aus der Hüfte...

















Glück gehabt, Saddam, denn du bist und bleibst der beste Freund des US-Präsidenten


























Wie retten Bill und Saddam sich gegenseitig?






























Die Operation "Wüstenfuchs": Ein vorweihnachtliches politisches Feuerwerk!s






Porno-War


Von Harald Friedl


Na Gott sei Dank, daß Billy-Boy endlich seinen seelischen Überdruck ablassen konnte: Auf Bagdad hagelten die Bomben, und Billy kann wieder ruhiger schlafen. Was kann es für einen Menschen auch Schlimmeres geben, als mit einem grenzenlosen, inneren Bedürfnis leben zu müssen - ohne jede Aussicht auf Befriedigung. War ja nicht mehr mitanzusehen, wie der arme Kerl gelitten hatte...

Denn seit Porno-Jäger Kenneth Starr dem Schlingel im Weißen Haus auf die Finger respektive unter die Gürtellinie starrt, kann der eifrige Freudenspender nicht mehr so, wie er so gerne will. Und das ausgerechnet zum 50-jährigen Jubiläum der Erklärung der Menschenrechte: Wo bleibt da der Anspruch auf ein ungestörtes Privatleben, geschützt durch Art. 12 der UNO-Menschenrechtsdeklaration?

Stellen Sie sich vor, Ihre Zärtlichkeiten für Ihre Sekretärin prangten plötzlich im Netz? Vor lauter Zugriffen würde Ihr Provider w.o. geben. Hätten Sie gerne! Aber mitnichten, denn bei aller Hochachtung für unsere Leserschaft: Wer interessiert sich schon für die digitalisierten Körperteile eines Intellektuellen, wenn man professionelles Körperdesign in formvollendeter Vielfalt in allen Ecken und Enden im Web zu sehen bekommt, von Pamela Anderson über Dolly Dollar bis Monica Lewinsky. Und ein Karma-sutra-Schnellsiedekurs vom US-Präsidenten persönlich ist schon ´was Feines...

O tempora, o mores: Als hätten Präsidenten überhaupt keine Rechte mehr: Klestil kann nicht in Ruhe seine Geliebte ehelichen, Clinton nicht unkommentiert seine Praktikantinnen einschulen - überall lauert das wachsame Auge des Web-Surfers, um sich in schmutzigen Details herrschaftlicher Unterwäsche zu suhlen. Der Untergang des Abendlandes am Ende des zweiten Jahrtausends naht!

Mal ganz ehrlich: Allein schon, um sich diesen fürchterlichen Frust von der Seele zu schütteln, lohnt sich ein gediegener Schuß aus der Hüfte ins Reich des saddamischen Satans, oder?
Denn darin sind wir uns einig: Solche medialen Beeinträchtigungen der Entfaltungsbedürfnisse eines Präsidenten schreien nach Kompensation! Dem armen Mann muß geholfen werden!

Nur wie?
Denn gegen die wuchernde, anarchistische und überall und nirgends wedelnde Web-Öffentlichkeit ist kein Kraut gewachsen.

Da hilft nur ein altes Hausmittel: Ein so grausam unter (Enthaltungs-)Druck gesetztes Seelchen soll wenigstens sein gutes Recht bekommen, sich per Knopfdruck abreagieren zu können. "Virtuelle Entladung" sozusagen.
Na Gott sei dank. Unser Billy hat's doch am besten, denn er bekommt, was er braucht, wenn er meint, daß er will: eine exklusive Kompensationstherapie! Eine Woche vor Weihnachten bescherte unser Freudenspender den so unterversorgten Bürgern von Bagdad ein glanzvolles Feuerwerk, wie sie es ein knappes Jahrzehnt nicht mehr erleben durften. Viele Menschen - so konnten wir es in CNN mitverfolgen - blickten, zu Tränen gerührt, zum taghellen Himmel empor, wo die tausendfachen Sternschnuppen in Engelschören Halleluja sangen und den Ramadan einböllerten. Das nenne ich zeitgerechte Philanthropie, das nenne ich herzerfrischendes Mitgefühl, das nenne ich Bill, wie wir ihn lieben und schätzen. Amerika, du hast es besser!

Alles Unsinn! Die Sache lief natürlich ganz anders. Sie lief - wie sollte es anders sein - über das Netzwerk der Geheimdienste, Drogendealer, Pädophilen und Anarchisten, übers Internet. Dort erfuhr ich, was ich immer schon wußte: Alles war ein abgekartetes Spiel, ein gerissener Trick, und wir, die Amerikaner - und vor allem die dummen Irakis - gingen den beiden Spitzbuben wieder mal auf den Leim... Aber alles der Reihe nach.
Erinnern Sie sich an den 2. Golfkrieg - Bush und der Rest der Welt gegen den irakischen Belzebub?
CNN hatte in den Medien einen grandiosen Krieg gegen den perfekten Hitler-Epigonen inszeniert und das Schauspiel von zielgenau treffenden, sterilen High-Tech-Waffen kinogerecht abgespult. Die Welt verneigte sich vor Gott, Amerika und George, dem alten WK-II-Kämpfer, der uns wieder mal alle vom personifizierten Bösen erlöst hatte.

Der Haken an der Sache - und der bohrte sich einem nur über das Web und einige ausgehungerte Alternativblättchen ins Auge: Noch vor Husseins Einmarsch in Kuwait hatte die damalige US-Botschafterin der Irakischen Regierung versichert, die USA würden bei einer etwaigen Invasion nicht intervenieren...
Pech gehabt, Saddam! Für die US-Waffenindustrie liefertest du die größte Werbeshow ihrer Geschichte - gefolgt von einem sensationellen Folgeauftrag!

Glück gehabt, Saddam, denn du bist und bleibst der beste Freund der US-Präsidenten! War nicht Norman Schwarzkopf, der wackere Recke im "Wüstensturm" von 1991, von seinem Eilmarsch auf Bagdad zurückgepfiffen worden, damit dem lieben, guten Saddam nur ja kein Haar gekrümmt werde. Welcher fähige Kopf sollte sonst über die Geschicke des Ostens walten? Wo man ihm doch die besten Waffendeals aller Zeiten zu verdanken hatte. Man beißt nicht die Hand, die einen füttert...

Sie kennen die Story: Bush hatte zwar den Krieg in der Wüste gewonnen, verlor aber die Schlacht im gelobten Land - die Präsidentenwahl - gegen einen unscheinbaren, sex-lüsternen Kriegsverweigerer aus Little Rock, der lieber mit Knöpfen und Nippeln spielt. Bill hatte eben, was Geoge nicht hatte: Sex-Appeal und - das Internet!
Der Frauenfreund hatte rasch verstanden, worauf es im Zeitalter der Medien ankommt:

Auf... na, erraten Sie's?
Auf Kommunikation, richtig!
Man muß mit seinen Freunden, Gönnern und Gefährten immer auf Draht bleiben! Schulterklopfen mit Helmut in Bonn, Wodkakippen mit Boris in Moskau, Schmusereien mit Yassir in Bethlehem - das zieht bei den CNN-Fans.

Und jetzt kommt der Clou: Wie läuft das mit den Lieblingsfeinden?
Per Internet, nona! Bill kann doch nicht vor laufender Kamera den Mann umarmen, der zwar schon immer den ultimativen Under-Cover-Feuerwehrmann für US-Präsidenten gespielt hat - aber eben in der Rolle des Bösewichts! Geht nicht per Rundfunk oder offiziellem "heißen Draht". Logo!
Geht aber über die unergründlichen Irrwege des Internets!

Und jetzt die Lösung dieses Verwirrspiels:
Zwischen Bill und Saddam herrscht perfekte Kommunikation zwecks Realisierung höchster persönlicher Gewinne in ihrem gegenseitigen Nicht-Nullsummen-Spiel. Verlierer gibt es in dem Spiel keine - außer den für dumm verkauften Zuseher: wir, die US-Amerikaner und die Irakis.

Das Gewinnziel dieses Spiels lautet: Wie retten Bill und Saddam sich gegenseitig vor dem Absturz in Schimpf und Schande?
Das wirkungsvollste Mittel dazu: Hau den Fans des Spielpartners eins über die Rübe, und seine Popularität ist wieder on top. Darum tat Bill seinem Spezi Saddam und sich selbst gleich eine ganze Reihe von Gefallen dank seiner Advent-Raketen:

- Der angeschlagene Ruf von Saddam als ultimativem Retter Arabiens vor den US-Schweinereien ist wiederhergestellt. Damit bleibt der beste Freund Amerikas weiterhin auf seinem einsamen, schwierigen, undankbaren, aber so wichtigen Außenposten als US-Spion.

- Durch das Bombardement wurden etwaige anarchistische Gegenbewegungen - wie rebellische Internet-Kommunen - im Keim erstickt und die hohe (Mangelwirtschafts-)Kultur des Irak vor unkeuschen Einflüssen bewahrt. Kein Iraki wird fürderhin mit Billy-Pornos verdorben.

- Die Amerikaner lieben wieder ihren Sex-Protz - und was will ein Mensch mehr, der so viel Zuneigung nötig hat!

- Unsere Freunde von der Rüstungsindustrie sind von ihren Komplexen der Nutzlosigkeit geheilt. In dieser allzu guten Welt ohne Sowjetunion beließ Gott doch noch ein paar Bösewichte, die immer wieder für den nötigen Bedarf an christlichem Mannesmut (= "Lenkraketen") sorgen.

- Die Weltöffentlichkeit hat endlich wieder ein anderes Thema als trockene Flecken auf Mädchen-T-Shirts.

- Und wie schon gesagt: Billy ist seinen Überdruck los! Aber das können eben nur Männer verstehen...

Wenn Sie nun glauben, das einzige Mittel gegen die zwei Clowns Saddam und Bill sei, das Weiße Haus mit allen Irakis zu vernetzen, damit Saddams brave Untertanen von ihrer Naivität befreit würden, so habe ich meine Zweifel. Denn je mehr die Amerikaner über Clintons Schweinekram im Web erfahren, desto mehr lieben sie ihn - Clinton mitsamt seinen Gute-Nacht-Zärtlichkeiten. Liegt vielleicht daran, daß jeder richtige Ami im Grunde seines Herzens gerne so wäre wie Bill: Nach außen der nette Junge von nebenan, den sich jede Schwiegermama wünscht, nach innen der unersättliche Liebhaber mit der stets schußbereiten Kanone, dem alle Frauen zu Füßen liegen.

Und Saddam: Könnten die Irakis im Netz surfen, würden sie wohl gar nicht erst bis zu Monica vordringen, sondern schon lange vorher bei Pamela Anderson (ganz unter uns: Gefällt Ihnen Monica?) oder bei "zum Thema:" hängenbleiben. Und hier erführen sie über ihren Landesvater nur, was sie immer schon gewußt haben: Saddam und sein Spezi Bill sind zwei gerissene Burschen. Und die Operation "Wüstenfuchs" war weiter nichts als ein vorweihnachtliches politisches Feuerwerk. Ein Advent-Scherz, sozusagen. Fröhliche Weihnachten!


Harald A. Friedl ist leitender Mitarbeiter von "zum Thema:".



"zum Thema:" Nr. 24, 30.12.1998